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4kitchens
Eine Installation von Meggie Schneider Land: Deutschland 2005. Rauminstallation und Videoarbeiten von Meggie Schneider; vier Küchen, fünf Monitore, ein Fernseher mit Echtzeitempfang Künstlerische Mitarbeit: Lukas Stäbler, Michel Birn.
Im Rahmen des Internationalen Forums 2004 wurde die Installation Ich sitze gern von Meggie Schneider so sehr begrüßt, besessen und als Kommunikationsplattform genutzt, dass während der Berlinale 2005 ein neues Installationsprojekt im Atrium des Filmhauses am Potsdamer Platz zu sehen sein wird. Für die Installation Ich sitze gern wurden Wohnzimmer von ihrem gewöhnlichen Kontext getrennt und als Kommunikationselemente bzw. Alltagsbühne in einen anderen privaten Raum, das Areal des Sony- Centers platziert.
Bei 4KITCHENS wird ein ähnliches Prinzip angewendet. Der Installationsort bleibt identisch, und die Idee, ein Segment privaten Raumes – in diesem Fall die Küche – in ein privates Stück Stadt zu implantieren, um es dort von den Besuchern und Gästen der Berlinale bespielen zu lassen, bleibt sich treu. Diesmal löst die Küche das Wohnzimmer ab, tauscht Sofas in behagliche Küchenstühle ein, und bringt eine neue Komponente ins Spiel: das Kochen, das Essen und den Austausch, der in einer solchen Wohneinheit seinen Platz findet. Die Küche ist der zentrale Raum einer Wohnung, in dem sich existentielle Rituale verdichten. Auf jeder Party wird es der letzte Ort sein, wo der harte Kern bis in die Morgenstunden ausharrt – es liegt nahe, dass dies mit der Nähe der Nahrungsquelle zusammenhängt. Die Küchen und ihre Utensilien stammen aus den unterschiedlichsten Haushalten: Sie waren ehemals beheimatet in Hohenschönhausen, Wilmersdorf, im Märkischen Viertel Reinickendorf, im tiefsten Steglitz, in Zehlendorf und anderen Teilen Berlins. Die Alltagsgegenstände und die von ihren Besitzern überlieferten Geschichten werden in den konzipierten Küchen zum Gegenstand neuer Projektionen. Die ehemaligen Besitzer/innen und Spender/innen sind bei der Vernissage zugegen und werden Fragmente ihrer Geschichte in neuem Gewand wiederfinden. Die Küche wird so zu einer Bühne, auf der ein Aktionsgeschehen im Sinne einer Collage aus Ereignissen, installierten Alltagsgegenständen wie deren visuelle Verselbstständigung stattfindet. Die Installation integriert kleinere Videoinstallationen und Filme zum Kosmos ‘Küche‘. Man könnte behaupten, dass die Küche in ihren regionalen, nationalen und kontinentalen Facetten individualisierter Ausdruck einer Kultur ist. In den Vorlieben der dort produzierten Speisen manifestiert sich ein jeweiliges Lebensgefühl, Peter Kubelka formuliert es so: „In der Speise drückt sich ein Weltbild aus.” Nirgendwo sonst werden kulturelle Erkundung und Aneignung, seelische und soziale Befindlichkeit, mentale Bereicherung und Veränderung so elementar erlebt und kommuniziert wie bei jenen Dingen, die wir uns im wahrsten Wortsinn einverleiben. Im Gegensatz zu der Entritualisierung der Tisch- und Küchenkultur im Alltag, wo sich die Nahrungsaufnahme zunehmend mit sich selbst begnügt, geht es in dem installativen Ausnahmezustand von 4KITCHENS darum, den Besucher an den Tisch zurückzuführen, ihn von der musealen Distanz zwischen Exponat und Betrachter zu befreien und zum Teil der Installation werden zu lassen. Erst durch den Besucher werden die Küchen zu einem lebendigen Konstrukt, das sich linear mit wechselndem Publikum immer wieder neu formiert. Hier wird nicht nur geplaudert und gesessen, auch gekocht und gegessen. Die Idee der Kücheninstallation gliedert sich in vier Themen: Küche 1 („Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.”) bietet Raum für Filmdiskussionen und Kochperformances jenseits gastronomischer Standards. Hier beginnt der Festivalalltag morgens mit Frühstücksgesprächen: Regisseurinnen und Regisseure und andere Gäste des Forums werden zum Frühstück eingeladen, um dabei bestimmte Themen zu besprechen, die wir aus dem Programm des Forums und der aktuellen Gemütslage der Film- und Videokultur ableiten. Das Publikum ist zum Mitfrühstücken und Diskutieren eingeladen. Am frühen Abend gibt es die tägliche Küchenperformance: Ausgewählte Gäste aus der Welt des Films, aus Theorie und Praxis, darunter Chefkoch Dieter Kosslick, Erika und Ulrich Gregor, Jan Schütte, Herbert Fritsch, Robin Curtis, Sophie Maintigneux, Karola Gramann und Christine Noll- Brinckmann, Harun Farocki und andere werden in der Küche agieren und sich dabei mit Nahrungsmitteln, Küchengegenständen und dem Kino auseinander setzen.
Stefanie Schulte Strathaus
Within the framework of the International Forum 2004, the installation Ich sitze gern (I Like to Sit) by Meggie Schneider was extremely well received, sat on, and used as a platform for communication; so a new installation project is planned in the atrium of the Filmhaus am Potsdamer Platz for the Berlinale 2005. For the installation Ich sitze gern, living rooms were separated from their usual context and placed, as communication elements and an everyday stage, in another private space, the plaza of the Sony Center. A similar principle is applied in 4KITCHENS.
The installation site remains identical and loyal to the idea of implanting a segment of private space – in this case the kitchen – in a private piece of the city, where it will be played upon by the visitors and guests of the Berlinale. This time the kitchen replaces the living room, exchanging sofas for comfortable kitchen chairs, but it also brings new components into play: the cooking, eating, and conversation that is at home in such a living unit. The kitchen is the central room of a home, where existential rituals are condensed. At every party, it is the last site where the hard core of guests tarries until the morning hours: it seems obvious that this has to do with the proximity of the source of nourishment. The kitchens and their utensils here come from a wide range of households. They were once at home in the districts of Hohenschönhausen and Wilmersdorf, in the Märkisches Viertel in Reinickendorf district, in deepest Steglitz, in Zehlendorf, and in other parts of Berlin. In the conceived kitchens, these objects of everyday use and the stories provided by their owners become the objects of new projections. The former owners and donors will be present at the opening and will find fragments of their stories in new attire. The kitchen thus becomes a stage for a collage of active events, installed objects of daily use, and their images, which take on a life of their own. The installation integrates small video installations and films on the cosmos of the kitchen. The kitchen, in its regional, national, and continental facets, represents the cultural stance of those who dwell here. The foods people prefer to prepare there manifest their respective feelings for life. As Peter Kubelka puts it, “A worldview is expressed in food.” Nowhere else are cultural exploration and appropriation, psychological and social states, mental enrichment and change experienced and communicated so elementally as in the things that, in the truest sense of the word, we assimilate. Countering the de-ritualization of table and kitchen culture in everyday life, in which nourishment is increasingly stripped of accompaniments, this installative exceptional state of 4KITCHENS aims to bring the visitor back to the table, to liberate him or her from the museum-like distance between exhibited item and viewer – by making him or her a part of the installation. The visitor is what it takes to make the kitchens a living construct, formed anew repeatedly in relation to the changing public. Here one not only chats and eats, but also cooks and eats. The idea of the kitchen installation is divided into four themes: Kitchen 1 (“Eat what’s on your plate.”) offers space for film discussions and cooking performance outside the standard restaurant fare. Here, the festival days begin with breakfast conversation: directors and other guests of the Forum will be invited to breakfast to talk about specific topics we take from the Forum program and the current mood of film and video culture. The public is invited to join us for breakfast and discussion. In the early evening comes the daily kitchen performance: selected guests from the world of film theory and practice, including head chef Dieter Kosslick, Erika and Ulrich Gregor, Jan Schütte, Herbert Fritsch, Robin Curtis, Sophie Maintigneux, Karola Gramann and Christine Noll-Brinckmann, Harun Farocki, and others will work in the kitchen, dealing with food, kitchen utensils, and cinema.
Stefanie Schulte Strathaus
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